Pâtisserie trifft auf Bar mit einer gewaltigen Geschmacksexplosion

Pâtisserie trifft auf Bar mit einer gewaltigen Geschmacksexplosion

Dessert Bar war mir bisher ein unbekanntes Konzept und spontan dachte ich da auch gleich an süße Drinks. Weit gefehlt, die Desserts sind keine Nachspeisen, es sind Kreationen des Pâtissiers René Frank, der unter anderem die Pâtisserie-Abteilung des mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurants “la vie” in Osnabrück geleitet hat. Hier in Berlin trifft nun das Dessert auf seinen passenden Drink. Was in der hohen Kunst der Patisserie eingesetzt wird, davon profitiert hier nun die Bar. Technische Geräte angefangen bei Sous-Vide über molekulare Techniken, Stickstoff, also alles was das Herz eines Bartenders begehrt, ist in der großen offenen Küche vorhanden, um die Aromen aus den Zutaten zu kitzeln.

Messen, Wiegen, Quirlen, Sprühen und filigrane Löffel zum Probieren, doch die Musik des Shakers bleibt.

Über die hochwertige Qualität der Produkte braucht man kein Wort zu verlieren, das versteht sich von selbst. Saisonale Produkte und deren Reifegrad sorgen für die Süße, keine Zugabe von künstlichen Aromen und industriellen Produkte.

Mir läuft an dieser Stelle schon wieder das Wasser im Mund zusammen, aber ich fange mal von vorne an. Nur gelegentlich verschlägt es mich nach Neukölln und als ich am Hermannplatz ausstieg, da spürte ich auch gleich den Charme des Kiezes. Einmal rechts herum und dann wieder links herum und dann ist man auch schon in der Friedelstraße 47 angelangt. Offiziell ist die Bar noch nicht eröffnet, aber ich bin ja schließlich Barstalker 😉 Als ich durch die Tür eintrat, da empfing mich eine dezente Bar mit einem Blick in eine offene Küche. Die Wände sind dunkelblau und die Regale dezent mit einheitlichen Gläsern und Flaschen bestückt. Weder das Rückbuffet noch die Karte verraten etwas über Marken und Hersteller. Die Spirituosen reihen sich in gleichen dunklen Flaschen aneinander. An der Hochwertigkeit und der liebevollen Auswahl kann man sich bei Julian sicher sein. Auf Nachfrage bekommt man natürlich auch die Marken genannt, ist ja kein Geheimnis, sondern eher eine Philosophie. Als ich mich langsam auf den eleganten Barhocker setzte und meine Arme auf dem schönen Holz ablegte, hatte ich schon eine leise Ahnung, dass der Abend länger als geplant werden könnte. Man sitzt hier echt bequem. Das Verhältnis Bar zu Sitzplätzen im Raum ist in etwa 12 zu 24. Unterschiedliche Holzstühle und auch unterschiedliche Materialien der Tischplatten geben dem Raum etwas legeres. Unbehandeltes Holz und Muschelkalk werden im Laufe der Zeit die Spuren der Gäste tragen. Es gibt keine Untersetzer für die gekühlten Getränke und das Schmelzwasser wird langsam von der Oberfläche absorbiert. Die Eleganz trifft hier auf trashigen Rock ’n’ Roll. Wir sind hier ja auch in Neukölln und nicht in Mitte, wo ich übrigens eine solche Bar eher vermutet hätte. Oliver Bischoff, der Partner von René Frank ist übrigens für das Design verantwortlich. Dunkelblau, eine helle Küche, dezente Lampen, elegant und intim würde ich das Interieur beschreiben. Hell ist es hingegen auf der Toilette, wenn man die Tür hinter sich verriegelt hat, dann findet man sich in einer Unisex Toilette wieder. Die Hintergrundmusik in der Bar ist hier viel präsenter und die Atmosphäre ist sehr entspannend. Irgendwie eine eigene Welt und daher auch erwähnenswert an dieser Stelle.

Jetzt aber zu den Drinks. Die Karte ist schwarz, die Blätter können gut ausgetauscht werden, die drei Hauptzutaten reihen sich aneinander, wie man das auch aus der Sterneküche kennt. Es gibt „Single dishes“, also nur ein Dessert, welches alleine bestellt werden kann, oder von einem abgestimmten Drink begleitet wird. Die „Combination of Two“ oder „Combination of Three“ entspricht einer Abfolge von der entsprechenden Anzahl an Desserts mit oder ohne Drinkbegleitung. Es finden sich auch reine Cocktails auf der Karte, wie auch eine Auswahl an Sake. Einige Biere finden sich hier auch, mitunter lächelt mich hier der Hopfen des Indian Pale Ales „Lucky Lup“ meines Arbeitskollegen an. Als Barfood findet man selbstgemachte Pralinen, die im eigenen Humidor auf den Verzehr warten. Schwierige Entscheidung für einen ersten Besuch, aber ich startete mal mutig mit einem Dessert aus Kiwi, Dinkelgras und Himbeere, und dem korrespondierenden Drink mit Traube, Nuss und Alge. Die Präsentation der Desserts ist puristisch und erfahren. Das goldene Besteck liegt auf einer dicken schwarzen Serviette. Der Drink kommt in einem einfachen Wasserglas. Schon als ich Platz nahm bekam ich ein stilvolles dunkles Wasserglas mit Flasche zum Nachschenken hingestellt.

Was mir besonders gut gefällt ist der feine Kontrast zwischen Eleganz und Lockerheit, was sich auch in der Gastgeberqualität widerspiegelt. Das Dessert wird beim Servieren kurz erklärt, ebenso der Drink und dann macht man seine eigenen Erfahrungen. Und dann weiß man, auf was es hier ankommt und fühlt das Konzept. Das Auge wird vom Interieur beruhigt, aber die Nase und der Gaumen kommen hier voll auf ihre Kosten.

Auf der Cocktailseite der Karte lachte mich die Rote Beete mit dem Lakritz an. Hier vereinen sich Cachaça, Himbeere, Lakritz, Limette und Eiweiß und wurden sofort zu einem Favoriten. Wer Lakritz mag muss das einfach selbst probieren und auch Rote Beete Verweigerer könnten sich hier mal trauen. Die Limette nimmt der Roten Beete die meist ungeliebte Erdigkeit und die frische Himbeere unterstützt mit lieblicher Süße und am Ende hat man einen angenehmen Lakritz Geschmack. Großartige Kombination.

Eigentlich genug für so einen ersten Besuch, aber was macht die Aubergine in der Dessertkarte? Nun ja, die führt zusammen mit einem Pekannusseis, Apfel Balsamico und Lakritz Salz Freudentänze auf meiner Zunge auf. Der Sherry Drink unterstützt das auch noch und am Ende muss ich mich echt beherrschen nicht den Teller abzuschlecken.

Die Desserts sind an sich schon großartig, aber mit den Drinks zusammen ist das wirklich ein einzigartiges Erlebnis, und weil ich heute auf das Abendessen verzichtet hatte, war auch noch Platz für einen Gute-Nacht-Dessert-Drink. Heimatliche Gefühle sind bei mir immer mit erdigen Noten verbunden. Ein schöner torfiger Single Malt ist für mich Geborgenheit und den findet man hier mit einem spritzigen Lambrusco vereint. Dazu dann Schokoladencreme mit Holzkohle für den rauchigen Whisky im Drink, 70 %ige Schokolade und Pflaume mit einer Essenz aus Zichorienwurzel. Diese Kombination ist gemeingefährlich. Zum Abschied bekam ich noch eine Praline aus dem Humidor, die anfing lustig im Mund zu knistern. Ich mag diesen Kontrast von edler Schokolade mit einem knisternden Augenzwinkern, wirklich gut durchdachtes Konzept. Der Name der Bar stammt übrigens aus der Musiksprache. CODA beschreibt das sanfte Ende einer Komposition, wie das Dessert das Ende eines Menüs ist und diese Bar das Ende eines hervorragenden Abends sein kann.

Visit CODA Dessert Bar.